Wo kommt unser Essen her?

Lerne die Höfe und Betriebe kennen, von denen unser Essen kommt, oder kommen sollte!

19.09.2020 Besuch des Windrather Talhandels und weiterer Höfe der Hofgemeinschaft Windrather Tal

Nachfolgend ein Bericht von diesem schönen Tag:

Das ländliche Windrather Tal liegt ca. 35 km von Düsseldorf entfernt zwischen Neviges und Langenberg. Ein großer Teil des Tals ist ökologisch bewirtschaftet, denn hier liegen gleich sechs Biohöfe zusammen. Diese haben eine gemeinsame Vermarktungsstruktur aufgebaut, den Windrather Talhandel mit Mühle, Bäckerei und Getreidereinigung und -trocknung. Hier wird also schon gelebt, was für viele Produzent*innen und auch Konsument*innen eine Wunschvorstellung ist: eine lokale, erlebbare Landwirtschaft, die die Natur und Umwelt schont, die gewachsene Kulturlandschaft fördert, fair und transparent für Produzent*innen und Konsument*innen. Vor ein paar Jahren hat sich das Tal außerdem mit allen dort wirtschaftenden Bauern und Bäuerinnen, also auch den konventionell arbeitenden, zur offiziell Gentechnik-freien Zone erklärt.

Zwölf Personen vom Ernährungsrat Düsseldorf haben sich im Spätsommer 2020 auf dem Hof Fahrenscheidt mit Stefan Rahm verabredet. Er managt mit seiner Frau Isa von diesem Hof aus den Talhandel. Morgens sehr früh kommen die Bäuerinnen und Bauern der sechs Höfe mit ihrem frisch geernteten Gemüse, Milch, selbst hergestelltem Käse und Fleisch und laden sie in einer Art offener Scheune ab. Dazu kommt das frisch gebackene Brot aus der Höfe-Bäckerei nebenan. Nun können die Lieferautos bepackt werden, die in alle Himmelsrichtungen Bioläden, Unverpackt-Läden, aber auch das Hotel Land Gut Höhne, die Windrather Talschule und Kindergärten beliefern.

Was wird grade im Überfluss geerntet, braucht also viele Abnehmer*innen? Was hat unter der Trockenheit gelitten und fällt vielleicht sogar ganz aus? Was muss teurer werden wegen größerem Aufwand als gedacht? Wie gehen wir mit den Radieschen um, deren Blätter Fraßlöcher haben, die aber sonst ohne Tadel sind? Es wird zusammen nach Lösungen gesucht, der Talhandel ist das Verbindungsglied zwischen den sechs Höfen und den Kunden. Keine leichte Aufgabe. Der Umgang mit lebendigen Lebensmitteln ist eine komplexe Sache, wie uns Stefan sehr plastisch erklären kann.

Er erzählt uns auch, wie der übliche Großhandel mit Bäuerinnen und Bauern und ihrer Ernte umgeht. Sie fahren weite Strecken mit einem großen Anhänger zum Beispiel voller Kohlköpfe und wenn bei Ankunft drei Raupen auf den Kohlköpfen zu sehen sind, wird die Ladung nicht angenommen. Dann kann die Bäuerin hunderte Kohlköpfe in den Graben abladen, denn es gibt keine Alternativen. So landet alles, was nicht 100% perfekt aussieht, auf dem Müll und die Bauern machen Verluste. Der Druck der Supermärkte / Konzerne ist unerbittlich und sie bestimmen im globalisierten „Agrobusiness“ alleine, was und zu welchem Preis verkauft wird. Dieses Jahr gibt es überall Probleme mit Drahtwürmern, die Löcher durch die Kartoffeln gefressen haben, aber die Kartoffeln nicht faulen lassen. Der Talhandel sucht grade nach Abnahmemöglichkeiten, um nichts wegschmeißen zu müssen.

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An den Anzuchthäusern des Schepertzhof

Im Windrather Tal ist die Trockenheit seit drei Jahren ein großes Problem. Die Brunnen der Höfe sind leer. Das ganze Tal hat nur einen Anschluss an das städtisches Wassernetz und nun stehen die Trecker dort Schlange, um die Tankanhänger zu füllen. Auch den Wäldern ringsum sieht man Mitte September die Dürre an, es gibt viele braune Baumkronen. Die einzelnen Fichten dazwischen sind kahl und grau. Stefan berichtet, dass wohl Kühe geschlachtet werden müssen, weil nicht genug Heu eingefahren werden konnte für den Winter– es ist nichts gewachsen. Wir schauen auf die braunen Hügel, auf die Stefan zeigt. Die Höfe bauen das Futter für das Vieh selber an und sind daher auf saftige Wiesen angewiesen. Als Dünger für die Felder dient wiederum der eigene Mist. Kälber werden selber aufgezogen. Es gibt auch eine eigene Schlachtung im Tal.

Wir spazieren vom Hof Fahrenscheidt zum Örkhof, wo einige von uns dem duftenden Brot und anderen Köstlichkeiten im Hofladen nicht widerstehen können. Wir besichtigen die Anzucht-Gewächshäuser des Örkhofs, Felder mit bunten Streifen aus Tomatenpflanzen, Fenchel, Kohl, Kürbis und dazwischen immer wieder Blumenstreifen. Wir lassen uns etwas über die selbst hergestellten Präparate des Demeter-Anbaus erklären und über die Kompostwirtschaft.

Schließlich gehen wir über einen steilen Hügel an Kuhwiesen, einer malerischen Bank und einer Kapelle vorbei durch einen Wald Richtung Hof zur Hellen. Dort ist mächtig was los am Samstag-Mittag. Um den Hof herum wird an Gartentischen gegessen, Kinder klettern auf einem alten Traktor herum und nachdem wir uns mit sehr leckerem Kuchen gestärkt haben, schauen wir uns zum Schluss den Gemüseanbau dieses Hofes an.

Alle Höfe haben ihre individuellen Vermarktungsmethoden mit Café, Hofladen, Solawi oder Gemüsekisten und produzieren zusätzlich für den Talhandel. Der Talhandel bezieht außerdem Produkte von weiteren Biohöfen aus der Umgebung. Die Einnahmen des Talhandels werden zu einem festen Prozentsatz für Anschaffungen verwendet, die die Auslieferung betreffen. Die Höfegemeinschaft des Windrather Tals finanziert aber auch sonst gemeinsam genutzte Maschinen und vieles mehr. Zum Beispiel konnte ein Haus im Tal als Alterswohnsitz für die Altbauern und -bäuerinnen gemeinsam erworben werden.

Als wir uns von Stefan verabschieden, sind wir alle sehr beeindruckt von dem, was in diesem Tal gelebt wird. Es macht hoffnungsvoll und fühlt sich sehr menschlich und gesund an. Fast möchte man hier einziehen und mithelfen. Mehr Informationen zu den Höfen

Text Anne Mommertz